Streit um DDR-Schriftsteller

Erwin Strittmatter, einst populärer Schriftsteller der DDR, wäre in diesem Sommer 100 Jahre alt geworden. Wegen seiner Verstrickungen in das Nazi-Regime und den SED-Staat will ihn seine Geburtsstadt Spremberg nicht feiern.

Plakat zum Schriftsteller-Geburtstag
Der winzige Kramladen ganz im Osten Deutschlands sieht aus wie in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Damals wuchs hier, im kleinen Bohsdorf an der Grenze zu Polen, der Schriftsteller Erwin Strittmatter auf. Das Geschäft in dem niedrigen Backsteinbau mit spitzem Ziegeldach betrieb seine Mutter

Heute ist das Gebäude ein Museum. Das kleine Geschäft war Vorbild für den Roman "Der Laden", eines der populärsten Bücher der DDR in den achtziger Jahren. In Westdeutschland wurde die Geschichte 1998 durch einen Fernsehfilm bekannt, wie Renate Brucke vom örtlichen Strittmatter-Verein erklärt: "Die 'Laden'-Trilogie als sein Hauptwerk ist hier angesiedelt. Deshalb kommen zu uns ganz viele Besucher von überall her."

Doppelt verstrickt

Die Gäste suchen nach authentischen Zeugnissen aus Strittmatters Geschichten. Und sie finden Vieles, denn der 1994 gestorbene Schriftsteller hat in seinen Erzählungen oft reale Dinge in andere Zusammenhänge gebettet. Wichtige Punkte seines eigenen Lebens in zwei deutschen Diktaturen hat er dagegen verschwiegen.

So spionierte Strittmatter in den fünfziger und sechziger Jahren für den DDR-Geheimdienst Stasi. Im Zweiten Weltkrieg meldete er sich als 28-Jähriger freiwillig bei einer SS-Polizeieinheit, die auch Kriegsverbrechen begangen hat.

Diskutieren statt Feiern

"Dazu hat sich Strittmatter Zeit seines Lebens nie geäußert. Darüber hat er also seine Leser, aber auch die anderen Bürger dieses Landes im Unklaren gelassen", kritisiert Andreas Lemke, der im Parlament von Spremberg sitzt. In der wenige Kilometer von Bohsdorf entfernten Kleinstadt wurde Strittmatter 1912 geboren. Dort sind die meisten Stadtverordneten nun dagegen, dass der Ort den 100. Geburtstag seines bekanntesten Sohnes im August offiziell feiert.

Auch Bürgermeister Klaus-Peter Schulze plädiert stattdessen für eine "kritische Auseinandersetzung vielleicht in Form einer Diskussionsrunde, wo wir neben dem Schriftstellerverband Historiker einladen, die etwas über die Zeit der Ordnungspolizei im Zweiten Weltkrieg sagen können." Experten der Stasi-Unterlagenbehörde könnten Informationen über Strittmatters Tätigkeit als Spitzel in den fünfziger und sechziger Jahren liefern.

Trennung von Literatur und Leben?

Das aber empört den Strittmatter-Verein, der sich die Pflege des literarischen Werkes auf die Fahnen geschrieben hat. "Man kann diese Jahrhundertbiografie nicht auf sechseinhalb Jahre reduzieren", argumentiert die Vorsitzende Brucke. "Man muss auch den Literaten sehen."

Diese Meinung teilt in der Spremberger Lokalpolitik jedoch nur die Linkspartei, teils hervorgegangen aus der DDR-Staatspartei SED. "Im Werk Strittmatters gibt es nichts zu vermuten, was in nationalsozialistische Richtung oder Verherrlichung des Krieges geht. Ganz im Gegenteil. Seine Werke sprechen da was anderes", sagt Linke-Politikerin Birgit Wöllert, eine frühere SED-Funktionärin.

Andreas Lemke will diese Trennung von Literatur und Person nicht gelten lassen: "Wir müssen aufgrund der Biografie und der Lebenslügen von Erwin Strittmatter eine ganz klare Position beziehen. Ansonsten haben wir keine Chance, uns im heutigen Leben anderen rechten Bedrohungen oder neonazistischen Aktivitäten entgegen zu stellen. Man kann nicht bei dem einen sagen: Das ist tolerierbar. Und bei den anderen dann dagegen kämpfen."

(für Deutsche Welle Online, www.dw.de)